Karate zwischen Weltmeister und Straßenkämpfer – wie Kata, Schwertkampf und Selbstverteidigung zusammenpassen
Woran denkt ein Wado Ryu-Karateka, wenn der Oktober naht? 

An Shuzo Imai, Koji Okumachi, Mathias Gäbel –
kurzum: den Wado-Herbstlehrgang in Potsdam

Viele Sportler aus ganz Deutschland kamen in die Brandenburger Landeshauptstadt, um Tage lang zusammen die volle Bandbreite des Karate Do zu trainieren: Kihon, Kata, Bunkai, Selbstverteidigung, Tanto Tori, Idori, und – als besonderes Highlight – Tachi Tori. Wer als Dan-Träger meint, Kihon sei auf einem Lehrgang nur für Kyu-Grade attraktiv, der hat die Kurse bei Imai und Okumachi noch nicht besucht. 

Dass Karate lebenslanges Lernen bedeutet und selbst ein vierter Dan mit Tipps von Okumachi seinen Junzuki noch verbessern kann, ist in Potsdam kein Geheimnis. Ebenso wenig, dass bereits die bunten Gürtel in den Einheiten mit Gäbel bewusst und kontrolliert Taisabaki umsetzen können. Für die Braungurte war Kushanku mit Okumachi zweifellos ebenfalls eine besondere Trainingseinheit.

Der mehrfache Kata-Weltmeister ließ es sich nicht nehmen, jedem Schüler individuelle Tipps zu geben – welche diese vom erfahrenen Meister aus Japan nur allzu gern annahmen. Parallel dazu verbesserten hochkonzentrierte Dan-Träger ihre Chinto unter den wachsamen Augen von Imai. Seine Kampfsport-Erfahrung von über 50 Jahren kann man in jeder seiner schnellen Bewegungen erahnen – ganz im Gegensatz zu seinen inzwischen gut 70 Jahren Lebenserfahrung. Glücklich sind all diejenigen, die in diesem Alter noch mit einer solchen Fitness und Gesundheit gesegnet sind.

Obwohl Selbstverteidigung beim Herbstlehrgang zum Standard gehört, ist es jedes Jahr ein Highlight. Ein einfacher Mawashizuki kann auf der Straße schnell gefährlich werden – umso wichtiger, sich unverblümt bewusst zu machen, wie der eigene Körper in dieser Stresssituation reagiert und welche Abwehr tatsächlich realistisch ist. Gäbel bewies hier mit seinen Erklärungen und Demonstrationen einmal mehr, auf welche SV-Erfahrung er bereits zurückblickt. 

Wer sich etwas intensiver mit Karate beschäftigt, erfährt schnell von der engen Verknüpfung mit dem Schwertkampf. Daher nahmen die Karateka die Neuheit dieses Jahres – Tachi Tori – neugierig auf. Viele hielten zum ersten Mal in ihrem Leben ein Bokken in der Hand. Unter der erfahrenen Anleitung von Imai verschwand die Unsicherheit nach einigen Bahnen mit Grundtechniken jedoch schnell. Die Überraschung für alle Neulinge: Bei den anschließenden Partnerübungen erschienen viele Kihon-Techniken, wie beispielsweise der zuvor geübte Tobikomizuki, um einiges einfacher und deutlich besser nachvollziehbar. Am Ende stand das einhellige Echo, dass man das – mit 45 Minuten leider viel zu kurze – Training mit
dem Holzschwert im nächsten Jahr deutlich vertiefen möchte.

Wie weit sich die hohe Qualität des Lehrgangs inzwischen herumgesprochen hat, beweist eine mehrköpfige Delegation an Sportlern, die extra den weiten Weg aus Ungarn auf sich genommen hatte. Sie fassten am Ende zusammen, wobei sich alle einig sind: Der Potsdamer Herbstlehrgang ist jedes Jahr aufs Neue ein Muss im Wado Ryu-Kalender – für den 23. Oktober 2015 haben sich die Sportsfreunde aus Budapest und Umgebung bereits wieder angekündigt.



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Datum: 19.03.2015