Marc Puhlmann beim Karatetraining mit dem NachwuchsOb Gerichtsvollzieher, Polizist oder Schulkind: Sie alle lernen beim Kampfsporttrainer Marc Puhlmann, wie man sich in brenzligen Situationen so verhält, dass es nicht zu Gewalt kommt. Ein Kampfsporttrainer predigt Gewaltfreiheit – wie geht das?
Brandenburg/H. Laut schreit Marc Puhlmann seine Kampfschritte in den Raum. Die Knirpse hinter ihm machen sie nach – mehr oder weniger genau.
Es ist Karate-Stunde im Trainingsraum des Hohenstückener Kampfsportvereins Sho Dan Sha Kai. Das ist Japanisch und heißt soviel wie Gesellschaft der kleinen Meister. Von der Meisterschaft scheinen seine Schüler an diesem Dienstagnachmittag noch weit entfernt. Und trotzdem sind sie konzentriert bei der Sache.

Obwohl es manchmal schon recht martialisch aussieht, wie die Gruppe da so in die Luft tritt und Schläge gegen den Kopf abwehrt: Das oberste Gebot für Puhlmann ist der Schutz vor Gewalt. Seit er 14 Jahre alt ist, betreibt er selbst Karate. Für den heute 37-Jährigen macht ihre Philosophie die asiatischen Kampfsportarten so attraktiv. „Karate ist eine Lebenseinstellung. Es ist viel mehr als nur Sport", sagt Puhlmann. „Es geht um den Einklang von Körper und Geist und um die Persönlichkeitsentwicklung."

Dass es ihm aber vor allem auch um Gewaltschutz und Gewaltprävention geht, zeigt sein weiteres Kursangebot. Für ihn besteht kein Widerspruch zwischen dem Erlernen eines Kampfsportes und dem Engagement gegen die Gewalt. „In der Kampfkunst geht es um Respekt und Ehre und andere Werte. Und diese Werte vermittle ich auch in meinen Gewaltschutzseminaren." Zentral beim einen wie beim anderen seien etwa Höflichkeit, Aufrichtigkeit oder Demut.

Seit sechs Jahren bietet er Workshops zum Thema an. Seine Kunden: Schulen, Firmen oder Behörden. Pflegekräfte, Gerichtsvollzieher, Polizisten oder Feuerwehrleute lernen bei ihm, wie man sich in brenzligen Situationen am besten verhält. Er bietet keine Selbstverteidigungskurse an. Die kann es für Puhlmann eigentlich auch gar nicht geben. „Die Lehre der Selbstverteidigung ist nicht vermittelbar, weil man die Stresssituation in der Realität nicht nachstellen kann", so der Kampfsporttrainer. Das Problem sei, dass in einer Gewaltsituation zwei unterschiedliche Moralvorstellungen aufeinandertreffen. Wie solle man das realistisch darstellen?
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In seinen Gewaltschutzseminaren geht es also vielmehr darum, eine brenzlige Situation nicht eskalieren zu lassen, die Gewalt also gar nicht ausbrechen zu lassen, so dass eine Selbstverteidigung allein deswegen schon gar nicht notwendig ist. „Ich zeige meinen Schülern, wie man sich auf der Straße bewegt, wie man sich im Bus, in U- und S-Bahn verhält, wie man Hilfe holt, wie man Nein sagt, wie man seine Stimme richtig einsetzt." Mit Kindern gestalten sich solche Kurse freilich anders als mit Erwachsenen. „Wenn wir üben, unsere Stimme zu nutzen, machen wir das mit Schreispielen. Das finden die Kinder total toll. Die schreien sich dann laut an."

Sein Gewaltschutztraining begann mit einer Kooperation mit der Grimmschule. „Die hatten große Probleme mit Gewalt unter den Schülern, aber auch gegenüber den Lehrern", erzählt Puhlmann. Anfangs sei er drei Mal in der Woche dort gewesen, heute geht er einmal pro Woche in die Schule in Hohenstücken. „Ich musste ja erst mal ein Vertrauensverhältnis zu den Schülern aufbauen und auch die Schüler untereinander mussten lernen, sich zu vertrauen." Seither habe sich die Situation an der Schule gebessert, zumindest berichtet ihm das die Schulleiterin.

Ein solches Feedback freut den 37-Jährigen. Seine Karateschüler trainiert er ehrenamtlich und auch die Gewaltschutzseminare gibt er neben seinem normalen Job. 40 Stunden in der Woche arbeitet er als Finanzkaufmann. Sein Engagement hält er aber für notwendig. Auch wenn die meisten Menschen seine Kurse nicht zu seinen brauchen. „Ein Glück kommen die meisten Menschen nicht in extreme Gewaltsituationen und das ist auch gut so."

Von Annika Jensen

Quelle: maz online, Annika Jensen



Autor: Annika Jensen
Datum: 19.04.2017