Gedan Barai – jeder Karateka kennt diese Abwehr. Oder doch nicht?

Im Gedan Barai steckt eine Menge mehr, als man ihm auf Anhieb ansieht. Werner Dietrich zeigt es den gut fünfzehn Teilnehmern auf der Matte im 1. Bruchsaler Budo Club. Schon die Ausholbewegung lenkt den Angriff ab, der eigentliche Block dreht den Angreifer mit einem kurzen Impuls zur Seite.

Schlechte Position für den Angreifer, gut für den Abwehrenden. Oder anders: Lösen aus einer Umklammerung. Erst den Kopf des Partners zurückbiegen – Die Ausholbewegung des Gedan Barai landet dann einen Treffer mit dem Ellbogen auf dem Kehlkopf, die Hikitebewegung wird zu einem kurzen Fausstoß, die eigentliche Abwehr bringt einen dritten Treffer zum Hals.

„Das wirkt", grinst ein Teilnehmer und muss kurz husten, bevor es weiter geht, mit einer ganzen Kette an Aha-Erlebnissen. Altbekannte Techniken, neue Sichtweisen. „Darum geht es", sagte SV-Trainer Werner Dietrich, „die Teilnehmer sollen für das, was sie mitbringen, verschiedene Blickwinkel kennenlernen, und sie anschließend in den Heimatvereinen umsetzen." Richtig oder falsch, das gibt es für Werner Dietrich nicht in der Selbstverteidigung. „Es geht um Vorschläge, wie man mit Situationen umgehen kann. Jeder muss sehen, was für ihn persönlich passt. Jeder hat seinen eigenen Karate-Do". Auch sein Verständnis für Techniken verändere sich ständig, sagt der Lehrbeauftragte für SV im KVBW.

So sieht es auch Trainer Sigi Wolf. „SV ist Karate. Und gutes Karate ist SV", bringt der KVBW-Präsident seine Philosophie auf den Nenner. Dabei stecke alles bereits in der Basis, Beispiel Heian Shodan. Die Bunkai einer einzigen Bewegung lasse sich im Training in ganz unterschiedlichen Stufen anwenden, in einer „abgespeckten" Version für Kinder bis zur harten Version, um sich auf der Straße zu verteidigen. Auf dem Programm des viertägigen Kurses stehen viele Möglichkeiten dafür, wie man das tun kann. Etwa, wie man Low-Kicks annimmt, oder sich aus einem Würgegriff selbst dann befreien kann, wenn man buchstäblich mit dem Rücken zur Wand steht. Doch wer als SV-Lehrer unterrichten will, der braucht mehr als nur Techniken

„Wichtig ist, dass Du als Trainerpersönlichkeit überzeugst", sagt Rudi Eichert, der das Handwerkszeug dazu ins Seminar bringt, Trainingsmethoden auffrischt und neue Impulse gibt. Auch ganz praktisch in den Lehrproben. „Überzeugend, das heißt, Du musst wissen, was Du tust," sagt der KVBW-Lehrwart, „den Überblick behalten und das Training gut aufbauen und organisieren." Der Aufbau des SV-Lehrer-Seminars ist breit angelegt: Wie reagiert das Gehirn auf Stress? Wie funktioniert Deeskalation? Wie definiert das Gesetz Notwehr? Wie kann ich bei SV-spezifischen Verletzungen Erste Hilfe leisten? Die Tage in Bruchsal sind lang und vergehen über so viel Input doch schnell.

Einer der Teilnehmer, Wolfgang aus Überlingen, fasst zusammen: „Körperlich anstrengend, aber sehr lehrreich. Und die Gemeinschaft war klasse!" Das findet auch Bine: „Wir lernen hier Dinge, die wir im Verein zu Hause so nicht lernen können", sagt die Berlinerin. „Und auch wenn der ernste Hintergrund immer erkennbar ist - es macht einfach Spaß."

Sogar, was der Gruß im Shotokan mit Betrunkenen zu tun hat, wissen die Teilnehmer jetzt. „Oss!" steht nämlich eigentlich für Ogenai Shimazu. Aber wenn man im Training außer Atem gerät, dann bleibt nur noch „Oss!" übrig, erklärt Werner Dietrich und schmunzelt: Eine ältere Japanerin habe sich diesen Gruß einmal verbeten, weil für ihre Ohren Trunkenbolde genau so kurzatmig klangen. Ogenai Shimazu übrigens bedeutet: „Danke für das Training. Arbeiten Sie bitte weiter mit mir!" Gelegenheit dazu gibt es im September. Dann findet Teil 2 des SV-Lehrerseminars in Bruchsal statt.



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Datum: 10.03.2015